Theater Narrenschiff

Katalina Kopka

15 Jahre - 15 Fragen . Das tn-Ensemble interviewt sich.

Lilja Kopka hat heute ihre Schwester Katalina interviewt. Die beiden stammen aus einer Unnaer Künstlerfamilie: Ihr Vater Augustin Upmann (Kabarettist und bekannt als einer der „Bullemänner“) und ihre Mutter Christiane Kopka (Journalistin und Regisseurin u.a. für das Projekt Freie Wildbahn) haben ihren drei Töchtern schon in ihrer Kindheit die Liebe zum Theater vermittelt. Besonders das gemeinsame Musizieren in der Familie hat Katalina und Lilja geprägt und bereichert heute auch die tn-Produktionen.

Katalina Kopka . Ensemblemitglied seit 2015

„Theater ist keine verstaubte Kopfakrobatik für Eliten, sondern saftige Unterhaltung für alle.“

Lilja: Mein Schwesterherz, seit ein paar Jahren stehen wir jetzt gemeinsam auf der Bühne, daher freue ich mich natürlich, dass ich dir 15 Fragen stellen darf. 2014 hast du das erste Mal bei SHAKESPEARE IM PARK mitgemacht, davor warst du natürlich ganz oft als Besucherin im narrenschiff. Daher kannst du vielleicht ganz objektiv sagen, was sich in den letzten 15 Jahren verändert hat?

 

Katalina: Ich finde, dass sich das Repertoire ein wenig gewandelt hat. Früher war es oft sehr experimentell, was vielleicht den ein oder anderen abgeschreckt hat. Im Moment werden häufiger mal Komödien gespielt (was nicht heißen soll, dass es nicht auch noch viel Ernstes zu Sehen gibt). Außerdem spielt Musik nach meinem Empfinden in den letzten Jahren eine immer größere Rolle. Vor einigen Jahren waren Stücke wie 8 FRAUEN noch ein echtes Experiment, mittlerweile wird in vielen Produktionen auch getanzt und gesungen, wie zuletzt in RUNNIN‘ WILD und WILDE IM PARK. Mir als Fan von alten Hollywood-Musicals wie Singin‘ in the Rain kann es davon gar nicht genug geben!

 

Lilja: Aber natürlich hast du schon vor 2014 Theater gespielt, was hast du gemacht?

 

Katalina: Ich hab, wie viele andere im tn, erste Erfahrungen in der Schulzeit gesammelt. Das erste Mal stand ich in der Grundschule auf der Bühne, das ging dann weiter mit Literaturkursen und solchen Dingen. So gesehen hat mich das Theater schon lange begleitet. So richtig viel habe ich dann allerdings erst gespielt, als ich zum Studium nach Bremen gegangen bin. Da gab es eine englischsprachige Uni-Theatergruppe, mit der ich so einige Produktionen gestemmt habe. Shakespeare im Original war für mich anfangs ganz neu, aber da hat mich das Theater so richtig gepackt.

 

Lilja: Würdest du sagen, Theaterspielen verändert einen? Hast du auf der Bühne was für’s Leben gelernt?

 

Katalina: Auf jeden Fall habe ich Gelassenheit gelernt. Man kann während der Aufführung nicht alles kontrollieren, aber man lernt auch, mit vermeintlichen Katastrophen umzugehen. Meist sind dann die Dinge, die einem selbst wie das Ende der Welt vorkommen, dem Publikum gar nicht aufgefallen. Vor jeder Aufführung erreicht man auch den Punkt, wo nichts klappt und jeder verzweifelt. Aber am Ende läuft es dann doch immer irgendwie. Ich halte es da wie Geoffrey Rushs Charakter in Shakespeare in Love, der diesen grundlegenden Wahnsinn des Theatergeschäfts perfekt auf den Punkt bringt: „Am Ende klappt immer alles erstaunlich gut. Ich weiß nicht wie, es ist ein Wunder.“ Das ist doch mal eine gute Lebensphilosophie.

 

Lilja: Welche tn-Inszenierung hast du dir besonders gerne angeschaut, und warum?

 

Katalina: Eine meiner absoluten Lieblingsinszenierungen war auf jeden Fall DIE ALTRUISTEN von Nicky Silver. Ich hatte zu dem Zeitpunkt noch nicht viel am tn gesehen und hatte weder von dem Autor noch von dem Stück jemals vorher etwas gehört. Aber dann saß ich da und hatte einige der lustigsten Stunden meines Lebens! Die Darsteller waren alle perfekt besetzt und das komische Timing des Stücks war wirklich perfekt.

 

Lilja: Und jetzt wo du im Ensemble bist, was war da deine Lieblingsproduktion?

 

Katalina: Mhmh, also da steht auf jeden Fall RUNNIN‘ WILD ganz oben. Der Text war comedy gold und zusammen mit den Songs, den Broadway-Choreographien und den Kostümen ging für mich ein Kindheitstraum in Erfüllung. Aber für mich werden auch die Park-Produktionen immer einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen haben, weil das mein Einstieg ins tn war und die jedes Mal einen ganz besonderen Zauber haben.

 

Lilja: Durch dein Studium hast du dich auch privat viel – vor allem englischer – Literatur auseinandergesetzt, wer ist dein Lieblings-Theaterautor? Und welchen Text würdest du gern mal bei uns auf der Bühne sehen?

 

Katalina: Also da kann es wirklich nur einen geben: Shakespeare. Als Dramatiker ist der so unglaublich vielseitig, da kommt einfach niemand anderes dran. Ein Stück, was ich gerne mal vom tn-Ensemble sehen würde, ist DER LÖWE IM WINTER von James Goldman. Das Stück ist eine Mischung aus WER HAT ANGST VOR VIRGINIA WOOLF, Shakespeares Königsdramen, DER GOTT DES GEMETZELS und einer Prise Game of Thrones – alles Sachen, die man im tn schon mal gesehen hat (wobei ich noch auf das Game of Thrones Musical warte!) und wofür unser Ensemble einfach ein gutes Händchen hat.

 

Lilja: Du bist sehr musikalisch, und bist besonders oft bei den Musiktheaterproduktionen involviert. Hast du ein Lieblingslied aus den letzten drei Jahren?

 

Katalina: Zum Singen mochte ich Silent Worship von Händel sehr gerne, das wurde ja sogar in gleich zwei Produktionen verwendet. Am liebsten getanzt habe ich zu My Heart Belongs to Daddy in RUNNIN‘ WILD und Everlasting Love in VIEL LÄRM UM NICHTS. Dieser Moment war für mich im Stück einfach immer pure Glückseligkeit

 

Lilja: Inwieweit kann Musik Theater deiner Meinung nach bereichern?

 

Katalina: Musik transportiert unglaublich viel Gefühl. Ein Songs kann tausend Emotionen auslösen, für die man ansonsten sehr viele Worte gebraucht hätte. Deswegen mach ich persönlich sehr gerne Musik im Theater, weil sie für mich das Erlebte viel intensiver macht.

 

Lilja: Angefangen mit Shakespeares Celia oder auch Hero hast du jetzt oft schon das brave Mädchen gespielt. Rollen um die sich im Schultheater noch alle reißen, die aber eigentlich gar nicht so dankbar sind. Wie geht man mit solchen Rollen um?

 

Katalina: Ich bring immer relativ viel von mir selber da mit rein. Also ich überlege, wie es mir in der Situation gehen würde. Auch wenn man keinen Text hat, kann man ja trotzdem Position zu bestimmten Handlungen und Äußerungen der anderen Figuren nehmen...wird sie vielleicht wütend darüber, dass sie gerade gar nicht gefragt wird? Macht sie sich eher lustig über die anderen und belächelt den Redefluss der männlichen Charaktere? Ich musste in den meisten meiner bisherigen Rollen immer viel auf die anderen reagieren, da läuft dann viel über Körpersprache und Mimik.

 

Lilja: Welche Rolle würdest du in Zukunft gerne einmal spielen?

 

Katalina: Puh, eine konkrete Rolle wüsste ich gerade gar nicht. Vielleicht eine von Shakespeares Hosenrollen, also Viola oder Rosalind. Aber ich würd auf jeden Fall nochmal gerne einen Part spielen, bei dem ich viel tanzen muss.

 

Lilja: Zusammen stehen wir André auch oft in dramaturgisch-beratender Funktion zur Seite. Was sind für dich da die Herausforderungen?

 

Katalina: Sich in den Kopf der anderen zu versetzten. Manchmal hat man eine ganz andere Vorstellung, wie etwas sein sollte, da muss man erst mal versuchen, den Ideen der anderen eine Chance zu geben. Wenn allerdings die eigene Idee wirklich gut ist, lohnt es sich, dafür zu kämpfen. Theaterprojekte sind auch immer ein bisschen Kampf! Meist kommt man aber so am Ende zur besten Lösung.

 

Lilja: Du wohnst in Bremen, wo du auch arbeitest und promovierst. Eigentlich verrückt, dass du dann in Unna Theater spielst. Wie kriegst du das unter einen Hut?

 

Katalina: Ja das ist schon etwas stressig manchmal. Allerdings mache ich meistens bei Produktionen in „Randzeiten“ mit, also vor allem bei den Parkproduktionen im Sommer. Da bin ich dann zeitlich etwas flexibler. Und ich bin mittlerweile sehr gut darin, im Zug Text zu lernen!

 

Lilja: 2015 standen wir gemeinsam bei der ersten englischsprachigen Produktion des tn auf der Bühne. Was war der Unterschied zu sonst? Hast du dich anders vorbereitet?

 

Katalina: Ich hatte ja durch meine Zeit beim Unitheater von uns allen glaub ich die meisten Erfahrung mit Shakespeare auf Englisch (außer vielleicht Cilly, die Sir Lawrence Olivier mit der Muttermilch aufgesogen hat). Dementsprechend war es für mich gar nicht so anders. Mir geht tatsächlich Shakespeare im Original oft leichter von der Zunge, das hat so einen natürlichen Rhythmus. Im Deutschen muss man eine gute Übersetzung erwischen, sonst kann das wirklich sperrig sein.

 

Lilja: Du bist jemand bei dem Theatertexte automatisch in den alltäglichen Sprachgebrauch übergehen, aber welches Zitat ist bei dir besonders hängen geblieben?

 

Katalina: Da gibt es in der Tat einige. Doch das Zitat, was mir in der Tat am häufigsten zufliegt, ist von Thispe aus Shakespeares SOMMERNACHTSTRAUM. Sobald jemand ein Thema beendet mit: „In diesem Sinne...“ vervollständigt sich das in meinem Kopf automatisch zu: „In diesem Sinne, Dolch mach hinne!“ So bekloppt wie das ist, ich komm da einfach nicht gegen an.

 

Lilja: Was wünscht du dir für die nächsten 15 Jahre tn?

 

Katalina: Ich wünsche mir, dass das tn weiterhin so ein integraler Bestandteil von Unnas Kulturszene bleibt und seinen Zuschauern abwechslungsreiche Theatererfahrungen bietet. Ich fänd’s vor allem schön, wenn wir solche Leute erreichen, die sonst nicht so viel mit Theater anfangen können. Denn darum geht’s ja: Theater ist keine verstaubte Kopfakrobatik für Eliten, sondern saftige Unterhaltung für alle.

Interview, Sommer 2017